Dienstag, 21. Oktober 2014

Kronstadt auf zwei Rädern


„Kann man in Rumänien radfahren?“, habe ich mich vor einigen Jahren gefragt. Damals sah man nur ein paar Menschen auf zwei Rädern, die etwas ärmlich aussahen. „Zu arm um sich ein Auto leisten zu können“, war damals der Eindruck. Inzwischen hat sich doch recht viel, und auch zum Guten, geändert. Der erste positive Eindruck war die Teilnahme an der „Masa critică“ im Mai 2011. Damals trafen sich 350 Kronstädter Radfahrer um sich „bemerkbar“ zu machen. Diese Aktion findet jeden letzten Freitag im Monat statt. Aus dieser „kritischen Masse“ hat sich inzwischen eine recht rührige Gruppe von Mountainbikern hervorgetan, die ein- bis zweimal pro Monat die umliegenden Berge erkundet. Mir liegt aber mehr das „Alltagsradeln“. Also das Zweirad wo immer wenn möglich zu nutzen.

Ist hier in Kronstadt nicht so leicht. Ein Fahrrad neu oder gebraucht zu erwerben ist kein Problem – aber wohin damit? In Hamburg haben wir einen Fahrradkeller im Haus. Hier im „Bloc“ gibt es nur eine „Katakombe“, durch die die Versorgungsleitungen für Gas und Wasser führen. Mit hoch in die Wohnung? – Nein lieber nicht! Erstens ist ein stabiles Alltagsrad doch recht schwer und zweitens dient es nicht gerade zur Verschönerung der Wohnung. Also wurde der Kauf erst einmal zurückgestellt. Fange ich also lieber erst einmal mit der Fahrradverleihstation auf dem Alten Marktplatz an. Sie ist mir schon aus der Zeit bekannt, als die Station noch neben dem Rathaus und dann im Bankenviertel war. Leider bedarf es dorthin einer „Anreise“. Den Bus zu nehmen empfand ich nach einem ersten Versuch doch als etwas unsportlich. Also geht es jetzt per pedes vom Tractorul-Viertel durch die Innere Stadt zum Alten Marktplatz.

Nach einer längeren Radtour gönne ich mir dann eine „Busrückreise“ ...

Kronstadt auf zwei Rädern (2)


Die Radtour startet beim Durchgang vom historischen Marktplatz zum Rosenanger.
Der Rosenanger/Piaţa Enescu – vorläufig noch von wenigen Touristen „entdeckt“.  
 
Nachdem klar war, dass es vom Fahrradverleih am Alten Marktplatz losgeht, kam die Frage: Wohin starten? – Klostergasse? Zuviel Autos – Purzengasse? Zuviel Fußgänger. Nach ein paar Anläufen wurde der ideale Startpunkt gefunden. Der Durchgang zum Rosenanger. Dorthin verirren sich kaum Touristen. Sie bevölkern ja den Alten Marktplatz. Dann nach rechts in die Michael-Weiß-Gasse und von dort, je nach Ziel links oder rechts in die Spitalsgasse. Manchmal lasse ich mich auch einfach treiben.

Interessant ist, dass mir vom Fahrrad aus manche Details auffallen, die ich als Fußgänger übersehen habe. So schaue ich jetzt vermehrt in Haus- und Hofeinfahrten. Da gibt es dann etliches, was noch einmal zu Fuß erkundet werden kann. Ein Bedenken wurde schnell ausgeräumt: Die neue Bepflasterung macht das Radfahren angenehm. Für die „sportlichen“ Radler sicher nicht, sie kommen einem daher aber auch nicht in die Quere. Wenn man die Innere Stadt verlässt, dann wird es allerdings schnell sehr „hügelig“.

Dann heißt es schon einmal kräftiger in die Pedale treten oder schieben. Eine Gangschaltung haben die Räder vom Fahrradverleih auf dem Alten Marktplatz nicht. So ging es gestern erst einmal hoch in die Obere Vorstadt – und dann in rasanter Fahrt hinunter Richtung Angerplatz. Auch hier eine neue Perspektive! Eigenartigerweise habe ich die orthodoxe Nikolauskirche immer nur aus der Entfernung gesehen. Jetzt mit dem Fahrrad bin ich ihr nähergekommen und werde demnächst einmal das danebenliegende Museum der „Ersten Rumänischen Schule“ anschauen. Der Herr des Museums hat mir auf jeden Fall schon einmal einladend zugewunken ... Sonst kennt man ihn ja nur aus dem Fernsehen.

Kronstadt auf zwei Rädern (3)


Für die Kronstädter Altstadt typische Häuser.
Eines der wenigen alten, dreisprachigen Kronstädter Straßenschilder in der Altstadt.
Fotos: Klaus-Rüdiger Müller

Im ersten Artikel zu „Kronstadt auf zwei Rädern“ ist leider mein Fußmarsch vom Tractorul Viertel zur Fahrrad-Verleihstation auf dem Alten Marktplatz zu einem Spaziergang durch die Innere Stadt geschrumpft. Dabei ist gerade das Gebiet dazwischen sehr interessant. „Altstadt“ oder „Bra{ovul vechi“ steht auf den Plänen. Da kommt bei mir die Frage auf: Wieso Altstadt? – die Innere Stadt ist doch viel, viel älter! Kommt das daher, dass es hier mit Kronstadt mal angefangen hat? Dann kamen 1241 die Mongolen und die Stadt zog sich aus der Ebene in das Tal unter der Zinne zurück. Zwischen Bartholomä und der Postwiese befindet sich ein Gebiet mit mehreren Tausend, meist einstöckigen Häusern.

Kein Zentrum, kein Marktplatz – aber Häuschen an Häuschen. Auf den „Magistralen“ Hintergasse, Mittelgasse und Langgasse viel Autoverkehr, aber sonst sowohl für Fußgänger wie Radfahrer viele Zonen mit wenig bis keinen Verkehr. Wenn ich mir die Stadtpläne aus Anfang der zwanziger Jahre des letzten Jahrhundert anschaue, ist dort noch eine recht geringe Bebauung zu sehen. Wohnblocks aus sozialistischer Zeit sind heute nur in den Randlagen zu finden. Also muss doch ein Großteil der vielen Häuschen in der Zeit dazwischen gebaut worden sein. Ein Problem für Radfahrer besteht darin, dass man die kleineren Straßen in ein System von Einbahnstraßen verwandelt hat. Während man in Hamburg fast alle Einbahnstraßen für Radfahrer in beiden Richtungen freigegeben hat, herrscht offenbar bei den Kronstädter Stadtplanern noch immer ein autofahrerzentriertes Denken vor.

Samstag, 18. Oktober 2014

WANDERN: Auf einem „Gemsenpfad“ über den Schneckenberg


Enge, steile Gassen führen zum Schneckenberg.
Das Grün erobert sich seinen Platz auch auf Treppen und Mauern.
Fotos: Klaus-Rüdiger Müller

Nun war man schon so häufig auf der Zinne, dass man sich fragt: „Und was ist da gegenüber?“ Mehrere Wasserreservoirs sind zu sehen, kann man da aber auch wandern? Ein Blick auf die Satellitenaufnahmen im Internet bringt wenig Aufschluss. – Also los! Quer durch die Blumenau und die Strada Matei Basarab hoch. Da schon die erste Überraschung: da rauscht doch ein Wasserfall? In einem Hof ist er dann auch zu sehen! Aber wie weiter?

Die Strada Karl Lehmann ist mir schon aufgrund ihres Namens aufgefallen. Später erfahre ich, dass sie früher auch unter dem Namen Strada Canalului bekannt war. Dieser Kanal ist allerdings mit Betonplatten überdeckelt und die Straße hier wenig attraktiv – also weiter hoch. Wo gibt es hier einen Weg, der „bergwärts“ führt? Da! Das sieht doch attraktiv aus! Ein Tor mit einem Steinbogen und dahinter Treppenstufen, die halb mit Grün überwachsen sind. Dahinter träumt dann ein Hotel von besseren Zeiten und ein Hund und ein Wachmann freuen sich über ein wenig Abwechslung.

Nein, auch hier geht es nicht weiter nach oben. Darum die Mattis-Teutsch-Straße hinunter zum Kanal. Nach wenigen Schritten verschwindet dann der Beton und aus dem Kanal wird ein munteres „Bächlein“. Jetzt gibt es viel Grün und frische Luft. Leider ist es etwas abgelegen und keine Straßenreinigung kommt hierher und es gibt immer noch Zeitgenossen, die meinen, Natur sei dazu da, dass man etwas hinwerfen kann ...

Nach einigen Schritten kommt dann die Zufahrt zu den Reservoirs, auf der man guten Fußes bergauf kommt. Am Wege liegen ein paar Wiesen, auf dem im Sommer gerastet und auch gegrillt wird. Aber alles nicht so überlaufen wie auf der Zinne und an den Solomonfelsen. Nach den ersten Reservoirs wird der Weg immer schmaler. Hier, wo früher Steinbrüche waren, kann man nicht an der Abrisskante wandern. Noch etwas Wasser aus der „Quelle“ abgefüllt und der Weg wird anspruchsvoller. Wer nicht so gut zu Fuß ist, sollte hier umkehren und Alleinwanderer vorsichtshalber ihr Handy mitnehmen. Hier kann man nicht so schnell Hilfe erwarten.

Der Weg wird jetzt zu einem „Gemsenpfad“ und man sollte vorsichtig Fuß vor Fuß setzen. Hat aber seinen Reiz, wenn man über Felsen und Baumwurzeln klettert. Der Pfad ist etwas schwer zu erkennen und natürlich nicht markiert. Gleichzeitig macht es aber viel Spaß, wenn man das richtige Schuhwerk anhat.

Nach einer Weile durch den „dunklen Wald“ kommt man dann bei einem weiteren Reservoir an. Hier kann man noch einmal einen Blick hinunter in den Burggrund werfen und in die Zivilisation zurückkehren. Über die Straßen Dobrogeanu-Gherea und Ecaterina Varga (beide am Burghals)geht es dann ohne viel Autoverkehr hinunter zum Star-Kaufhaus.

Sonntag, 7. Juli 2013

Sonntagnachmittag in Kronstadt

Wenn längere Zeit im Fernsehen täglich „instabiles Wetter“ angekündigt wird, dann schaut man auch am Sonntag aus dem Fenster und sieht eine Wolke und geht schon davon aus, dass es gleich regnen wird. Und man wartet und wartet und es regnet doch nicht. Dann ärgert man sich und fragt sich: „Wie kann man dennoch den Sonntag retten?“ Im Tractorul-Viertel gab es ja mal den Tractorul-Park. Dann wurde er mit einer Eishalle zubetoniert und heißt seitdem „Parcul sportiv“. Nicht sehr attraktiv. - Zu den Salomon-Felsen?

Da auch andere auf die Idee gekommen sein werden, tobt dort sicher der Bär und einen Parkplatz gibt es schon gar nicht. Hoch in die Schulerau? – Als Ausgangspunkt von Wanderungen sicher noch interessant, ansonsten aber auch „zubetoniert“. Diesmal mit hundert Hotels und Pensionen. Also mal einen Blick auf maps.google.com. Wo gibt es denn noch Grün in der Nähe von Tractorul? – Ah da links – ein Wald ohne Namen! Ok, inzwischen war es Montag geworden. Auf die Socken gemacht und einmal quer durch die Altstadt. Mittelgasse, Langgasse, die Studentenwohnheime an der Strada Memorandului. Dann muss es dort doch laut Satellitenbild einen Durchschlupf geben. Und richtig – eine Treppe mit vielen, vielen Stufen.

Und oben? Grün! Bäume, frische Luft und Ruhe. Eine sehr gut ausgebaute und gepflegte Straße mit Blick hinunter auf den unten liegenden Friedhof. Dann die Auflösung: „Naturreservat Stejerişul Mare“ steht auf einem Übersichtsplan am Straßenrand. Auch sind hier Wanderwege eingezeichnet (z. B. gelbes Dreieck hoch zur Schulerau). Eine größere Wanderung sollte es ja nicht werden. Darum der Straße weiter folgen und es kommen drei Wasserreservoirs. Danach ist die Straße nicht mehr ganz so gut gepflegt, aber noch gut begehbar. Danach eine Mauer, die aussieht, wie eine Klostermauer. Hier ein Kloster??

Zuhause angekommen noch einmal Google Maps bemüht. – Hinter der Mauer ist ein Hubschrauberlandeplatz zu sehen. Ein Hospital? Noch etwas weitergegangen: ein Palast! Aha, alles klar, hier residiert der Herrscher des Asphalts! Durch die Mauer vor neugierigen Blicken geschützt, aber vom Weltall aus gut zu sehen ... Leider ist auf diese Art aber auch zu sehen, dass dieser Teil der Warthe (als das sich dieser gebirgige Wald herausstellte) doch schon stark durch zwei Steinbrüche „angeknabbert“ ist. Natur- und Wasserschutz und ein Millionär werden hoffentlich die weitere Ausbreitung verhindern. Auf jeden Fall haben wir hier für uns ein neues „Naherholungsgebiet“ erschlossen.


Dichter Fichtenwald neben dem Schulerauweg.
Das Naturschutzgebiet grenzt direkt an einen alten Steinbruch. Fotos: Ralf Sudrigian

Sonntag, 26. Dezember 2010

Fußgänger unerwünscht?


16.09.10

Einstmals war die Klostergasse/str. Muresenilor eine sehr angenehme Straße. Schöne breite Bürgersteige und wenig Autoverkehr. Dann ist man auf die Idee gekommen, sie „autogerecht“ auszubauen. Drei Spuren, zwei Spuren als „Ausfallstraße“ in Richtung Scheiviertel. Damit die Autofahrer auch ja nicht gestört werden, wurden große Schilder aufgestellt mit dem Hinweis, dass das Überqueren der Straße verboten sei. Jetzt konnte man endlich „Gas geben“. Die bisherige Grenze von 50 km/h wurde aufgegeben, jetzt darf man sogar mit 60 km/h hinausbrausen. Vor der Tiriac-Bank sind die Fußwege beim Umbau so eng geworden, dass die Fußgänger die Fahrbahn betreten müssen, wenn zwei Paare aneinander vorbeikommen wollen.

Als wenn das Alles noch nicht genug sei – jetzt breiten sich immer mehr „Terrassen“ auf den Bürgersteigen aus. Auf der Westseite hat ein Restaurant gleich etwas Festungsähnliches aufgebaut. Man könnten ja noch verstehen, wenn im Sommer ein paar Tische und Stühle rausgestellt werden. Aber nein, diese „Festung“ sieht so aus als ob sie für die Ewigkeit gebaut sei.

Angeregt von dem Bauwerk auf der anderen Straßenseite hat nun auch der Brotladen mit dem schönen Namen „German Bakery Come Bäck“ den Bürgersteig zum Straßencafe umfunktioniert. Auch hier mit dem Resultat, dass es zum Fußgängerstau vor dieser Barrikade kommt.

Mein Vorschlag: Allgemeines Fußgängerverbot für die Klostergasse! Umbau der noch vorhanden Bürgersteige in dringend benötigte Parkplätze! Die schon vorhandene Restauration kann dann ja als Jausenstation für Autofahrer dienen



Klaus-Rüdiger Müller

In der Klostergasse wird es wortwörtlich eng für die Fußgänger.
Foto: der Verfasser

Montag, 29. November 2010

„De unde vin - Woher ich komme“


23.09.10

Fotos von Béatrice Klein wurden in Hamburger Galerie ausgestellt

„Béatrice Klein, De unde vin - Woher ich komme" lautet der Titel der Ausstellung, die in der Hamburger Galerie Hilaneh von Kories in den vorigen Wochen zu sehen war. Ein Titel in zwei Sprachen von einer Fotokünstlerin, die in Oradea geboren ist und heute in Hamburg lebt. Béatrice Klein, Jahrgang 1977, besucht nach 17 Jahren Abwesenheit das Rumänien in dem sie aufgewachsen war. Das ländliche Rumänien, wo ihre Mutter geboren wurde und wo heute noch ihre Tante wohnt. Der Ort Hemeiu{i, erscheint verwischt und verwaschen, wie aus der Erinnerung aufgenommen.
Béatrice Klein benutzt dabei eine Technik, die heute „altmodisch" erscheint. Sie nutzt für diese „Erinnerungen aus der Kindheit" nicht die heute gängige digitale Technik, sondern eine „analoge" Mittelformatkamera in der der „Rollfilm" noch sinnlich aktiv „eingefädelt" wird. Ihr gelingt es mit dieser Technik jene Erinnerungen zu reproduzieren, die doch eigentlich nur im Kopf vorhanden sein können.
„Ich wollte sehen, wie sie leben – wie mein Leben möglicherweise ausgesehen hätte. Ich entdeckte eine Welt, die ich zwar nicht kenne, die aber irgendwie zu mir gehört und in mir verwurzelt ist“, erklärt die Künstlerin.
„Woher ich komme" fragen sich sicher auch viele Siebenbürger Sachsen, die nach zwanzig Jahren wieder verstärkt zu Heimattreffen kommen. Nur diesmal nicht „in der neuen Heimat", sondern in der Heimat wo die Wurzeln sind.
Für mich als Norddeutscher ist es auch das rumänische Dorf woher meine Frau kommt. Es sind ihre Bekannten und Verwandten, die für mich wie auf den Bilder von Béatrice Klein leicht verschwommen auftauchen. Die einen im Vorbeifahren, die anderen konkreter, wie die 84jährige Tante, die uns immer mit Obst, Gemüse und Eiern beschenkt.

Aus der Ferne kann man die Hamburger Ausstellung im Internet auf folgenden Webseiten betrachtet werden: www.galeriehilanehvonkories.de/de/klein/de_unde_vin/
www.beakimage.com/beatriceklein-ro.html